Wer wie ich, als Kind methodistischer Eltern, im katholischen Oberbayern aufgewachsen ist, hat dies vielleicht auch erlebt: Ich bin anders. Und ich habe darunter gelitten. Schon im Kindergarten stand ich allein da. Wenn die anderen Kinder zum Gottesdienst in die Kirche hinüber gingen, durfte ich als Einzige nicht mitfeiern, sondern musste in eine fremde Gruppe. Jedesmal ein Anlass für verzweifelte Kindertränen.
In der Schule gab es zumindest in anderen Klassen ein paar Nichtkatholiken, aber ich musste durchs ganze Schulhaus laufen um in einen kleinen Raum unter dem Dach zum evangelischen Religionsunterricht zu gelangen, während die katholische Religionslehrerin in die Klasse kam. Ich wollte nicht anders sein und ging mit den Mädchen in unserer Siedlung zur Fronleichnamsprozession.
Heute bin ich in Teilzeit im Bischöflichen Ordinariat angestellt, wo ich Öffentlichkeitsarbeit für die Katholische Kirche mache. Hier feiern wir im Kollegenkreis oft die Heilige Messe. Während der Kommunion muss ich als Einzige in meiner Kirchenbank bleiben. Aber heute weiß ich: Ich bin richtig!
Auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass nicht eine Kirche, sondern Christus selbst uns zu seinem Mahl einlädt, kann ich diese Trennung so stehen lassen, denn auch die katholischen Kollegen lieben den, der uns an seinen Tisch ruft, genauso wie ich. Und sie sind auch richtig – trotz unterschiedlicher Ansichten.
In manchen Ländern kann es ein echtes Problem sein, einer anderen Konfession anzugehören. Ich bin sehr froh, dass wir in Deutschland ein Grundgesetz haben, das alle gleich stellt: männliche und weibliche, katholische und methodistische, christliche und jüdische, hetero- und homosexuelle Menschen.
Und dass es Stellen gibt, an die wir uns wenden können, wenn es in der Praxis anders aussieht. Das war nicht immer so. Ende des 19. Jahrhunderts wurde methodistischen Predigern und ihren Gemeinden in manchen Städten das Singen und Beten von Amts wegen verboten. Das Frauenwahlrecht gibt es erst seit 100 Jahren. Im November jährt sich die Reichsprogromnacht zum 80. Mal. Und erst seit 50 Jahren ist Homosexualität in Deutschland straffrei.
In diesem Heft kommen Frauen zu Wort, die anders sind. Etwa Sabine und ihre lesbische Tochter Vicky (Seite 27), die »nudeldicke « Anke (Seite 14) und Andria, deren Körpermaße und Hautfarbe nicht dem hiesigen Standard entsprechen (Seite 22). Doch sie ist überzeugt: »Gott hat auf dieser Welt eine unfassbare Vielfalt geschaffen. Er hat dich gemacht. Er liebt dich! Du bist richtig!«
Ihre
Iris Marie Hahn, Redaktionsleiterin
Seite 4
Jetzt erkenne ich stückweise: Andacht von Siegfried ReissingSeite 7
Seht den Menschen: Leitartikel von Manfred MarquardtSeite 11
Wie haben sie einander so lieb: Liedtext von Arno Backhaus aus der »Langarbeitsheftspielscheibe« von 1983Seite 12
Ein Weg in die Zukunft: Bericht über die Beratungen der Kommission des Bischofsrats von Rosemarie WennerSeite 14
Nudeldicke Deern: Ein Interview von Beatrix Junghans-Gläser mit der Autorin Anke GrönerSeite 19
Anders herum: Diesmal richtig herum!Seite 20
Textilientext: Ein Gedicht von Andreas Malessa aus der »Langarbeitsheftspielscheibe«Seite 22
Love Yourself – »Liebe dich selbst«: Judith Bader-Reissing im Interview mit der Afro-Amerikanerin Andria ThomasSeite 24
Kann denn Liebe Sünde sein? Der Sänger Sam Smith liebt einen Mann. Ein Porträt von Jette-Luisa Seemüller
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Seite 27
Es ist einfach Liebe: Vicky liebt eine Frau.
Ein Gespräch mit Mutter und Tochter -
Seite 30
Filmtipps: Videos, vorgestellt von Judith Bader-Reissing Seite 31
Kontaktstelle, Impressum: Infos und Adressen-
Seite 32
Leser schreiben: Post zum Thema »1968« und ein Lied von
Gisela Kibele »Vor dir kann ich mich zeigen, wie ich bin«. Seite 34
Preisrätsel: Gesucht werden zwei weitere Lieder;
zu gewinnen gibt es ein Buch und fünf Spiegel.Aus dem Frauenwerk
Seite 35
Termine: Veranstaltungen für Frauen zum VormerkenSeite 36
Frauenweltbund tagt in Belfast: Bericht über das zehnte »Area Seminar« von Susanne Meister.Seite 38
OJK und SJK: Berichte über die Frauenbegnungstage der
Jährlichen Konferenzen
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